Produkt des Darmstädter Start-ups Tec4med soll beim Transport des Corona-Impfstoffs zum Einsatz kommen

Das Darmstädter Start-up Tec4med hat eine smarte Kühllösung für den Transport sensibler Arzneimittel und Seren entwickelt. Nun soll das innovative Produkt beim Transport des temperaturempfindlichen Corona-Impfstoffs zum Einsatz kommen.

Wann bekomme ich meinen Impfstoff? Diese Frage stellen sich zurzeit viele Menschen. Noch sind die Impfstoffe gegen das Coronavirus ein knappes Gut. In den vergangenen Wochen gab es gleich drei vielversprechende Meldungen aus Hessen, die optimistisch stimmen: Im Februar hat das Mainzer Unternehmen BioNTech mit der Herstellung des Corona-Impfstoffs in den neuen Produktionsanlagen in Marburg begonnen. Zudem stellen der französische Pharmakonzern Sanofi und das Darmstädter Unternehmen Merck ihre Produktionsinfrastruktur und Expertise zur Verfügung, um die Produktion des BioNTech-Impfstoffs zu beschleunigen: Sanofi unterstützt beim Abfüllen des Corona-Impfstoffs in Frankfurt, Merck bei der Lieferung dringend benötigter Lipide.

Doch bis tatsächlich geimpft werden kann, muss der empfindliche Corona-Impfstoff von den Impfstoff-Lagern in die Impfzentren und von dort in die Pflege- und Altenheime gebracht werden. Dabei müssen strenge Vorgaben erfüllt und eine lückenlose Kühlkette sichergestellt werden. Welche Folgen eine fehlerhafte Logistik haben kann, bekamen zahlreiche fränkische Städte und Landkreise Ende Januar zu spüren: Für den Transport des Corona-Impfstoffs griffen die verantwortlichen Behörden auf einfache Camping-Boxen mit Bierhalterung zurück, die einen durchgängigen Temperaturbereich von 2 bis 8 °C nicht gewährleisten konnten. In der Folge wurden hunderte der dringend benötigten Dosen des wertvollen BioNTech-Vakzins zu Nichte gemacht.

Um solchen Pannen vorzubeugen, hat das Start-up Tec4med aus Darmstadt ein nachhaltiges und intelligentes System aus Hard- und Software insbesondere für den Bereich Healthcare und Logistik entwickelt. Bis zur Gründung des Unternehmens im Jahr 2017 wurden kühlungspflichtige Medikamente, Blut- und Dopingproben oder Organe vorzugsweise in Styroporboxen zur gewünschten Stelle gebracht. Für die Kühlung sorgten vorkonditionierte Kühlakkus oder Trockeneis. „Nach der Lieferung landeten Box, Kühlakkus und das Trockeneis in der Mülltonne“, sagt Elisa Blank (Head of Sales bei Tec4med). Mitgründer Martin Voigt betreute zu jener Zeit als OnBoard-Kurier im Rahmen einer Weltmeisterschaft den Transport von Dopingproben und sah sich unmittelbar mit den Risiken und Problemen einer passiven Kühllösung konfrontiert. Dieser Umstand brachte ihn zusammen mit Nico Höler und Julian Poths auf die Idee, eine Box zu entwickeln, die mittels elektrischer Akkus aktiv kühlt und wiederverwertbar ist. „Die Box sollte nicht nur nachhaltig, sondern auch sicher und nachverfolgbar sein. Passive Kühlsysteme sind in ihrer Laufzeit begrenzt. Sobald Verzögerungen in der Auslieferung auftreten, läuft man Gefahr, dass das sensible Transportgut nicht mehr ausreichend gekühlt und somit unbrauchbar wird“, erklärt Elisa Blank. Die besondere Kühltechnik ließen sich die Gründer patentieren und landeten mit ihrer NelumBox im Jahr 2019 sogar in der Finalrunde des Hessischen Gründerpreises.

Die Besonderheit der NelumBox liegt in einer aktiven und energieeffizienten Kühltechnologie, die pro Aufladung über eine Laufzeit von bis zu 48 Stunden mithilfe elektrischer Akkus jede Temperatur zwischen 0 und 70 °C halten kann. Angebunden an das Stromnetz, kann die sensible Ware sogar beliebig lang im voreingestellten Temperaturbereich gelagert werden. Die Bedienung ist einfach gehalten. Die smarte Kühlbox sammelt zudem wichtige Daten wie Luftfeuchtigkeit im Innenraum, Temperaturschwankungen oder Batteriestatus und sendet diese in die an das System angebundene Cloud: „Mit diesen Informationen erhalten unsere Nutzer einen zuverlässigen und sicheren Nachweis über den richtigen Transport und können mittels Echtzeit-Verfolgung einsehen, wo sich die Box gerade befindet. Insbesondere bei medizinischen Produkten muss die Temperatur stets verfolgbar sein. Ein integrierter Alarm macht den Nutzer sofort auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam. Damit kann sichergestellt werden, dass bei Fehlern in der Kühlkette präventiv eingegriffen und rechtzeitig nach Alternativen für die temperatursensible Aussendung gesucht werden kann, auf deren zeitnahe Verabreichung die wartenden Patienten häufig angewiesen sind“, erklärt Elisa Blank. Ein integriertes Schlosssystem stellt zudem sicher, dass die NelumBox nur von Personen mit personalisiertem Zugang geöffnet werden kann: „Damit kann die Kühlbox mit den Medikamenten direkt bei den Patienten gelagert werden, Zugriff auf den Inhalt hat jedoch nur medizinisches Personal. Diese Lösung spart Ressourcen, Zeit und Kosten.“

Der Impfstoff von BioNTech wird bei minus 70 °C gelagert. Anschließend muss er zwei bis drei Stunden auftauen, ehe er bei einer Temperatur von 2 bis 8 °C der zu impfenden Person verabreicht werden kann. Einmal aufgetaut muss das Vakzin innerhalb von fünf Tagen verwertet werden. „Die NelumBox erfüllt hervorragend die Anforderungen an die Corona-Impfstoff-Logistik auf der ‚letzten Meile‘. Indem die Temperatur des Innenraums in der Cloud auf den gewünschten Wert erhöht oder gesenkt werden kann, können insbesondere mobile Impfteams das Vakzin ohne Zwischenschritt und bedarfsabhängig einsetzen. Wir haben einen Auftrag vom Main-Taunus-Kreis, dessen mobile Teams die NelumBox bereits bei den Impfterminen in den Pflegeheimen einsetzen“, so die Mitarbeiterin des Start-ups.

Das Team von Tec4med zielt mit seinen Produkten auf eine umfassende Lösung, die möglichst viele Schritte der Pharmalogistik einbezieht. Neben intelligenten Kühlboxen mit Anbindung an eine Cloudinfrastruktur zur Überwachung bildet Wissensvermittlung eine essenzielle Komponente der Prozessoptimierung. Elisa Blank betont: „Noch ist in den Impfzentren nicht ausreichend Wissen vorhanden. Wir haben daher ein Handbuch mit hilfreichen Informationen zu Fragen verfasst, die im Zusammenhang mit dem Transport und der angemessenen Lagerung sensibler pharmazeutischer Güter auftreten.“ Mit diesem Vorgehen können künftig Szenarien wie die Impfstoff-Panne in Franken, deren Ursprung sicherlich auch in der mangelnden Erfahrung mit der Impfstoff-Lagerung liegt, vermieden werden.