Marrakesch am Main

von Lena Grocholl

Marrakesch am Main

von | 21. Mrz 2023 | Allgemein, Kunst & Kultur, Leben, Wirtschaft

Mai-Motiv des „Feels like Hessen“- Kalenders von Nadia Doukali

Ein Foto von Nadia Doukali aus Frankfurt ziert den Mai des „Feels like Hessen“-Wandkalenders 2023. Doch Fotografie ist nicht die einzige Leidenschaft der Künstlerin: Sie schreibt Kinderbücher, gestaltet Wohn-Accessoires und hat vor zehn Jahren den Ramadan-Kalender erfunden.

„Sie ist meine beste Freundin“, sagt Nadia Doukali über ihre Leica-Kamera. Wenn es ihr nicht gut gehe, ziehe sie mit ihrer Kamera los. „Ich liebe es, andere Menschen in ihren Gedanken zu beobachten. Und mir geht es sofort wieder besser.“ Wenn Nadia Doukali über eine ihrer großen Leidenschaften – die Fotografie – spricht, ist deutlich zu spüren, dass es für sie eine Herzensangelegenheit ist. Schon als kleines Kind hat sie sich für Fotografie interessiert, doch fehlte das Geld für eine gute Kamera. Jahre später hat sie viel Polaroid-, Nikon-, Sony-, Analog-, Dia-, Digital- und auch iPhone-Fotografie ausprobiert. Zu ihrem Geburtstag vor zwei Jahren gönnt sie sich eine Leica. Eine fotografische Reise beginnt.

Nadia Doukali sitzt zwischen mehreren bunten Kissen auf dem Boden.

Ein Foto von Nadia Doukali aus Frankfurt ziert den Mai des „Feels like Hessen“-Wandkalenders 2023.
(Foto: Salome Roessler)

„Aber nur in Schwarz/Weiß“, erklärt Doukali, die ihre Bilder im Pop-Up-Store in der Berliner Straße in Frankfurt ausstellt und verkauft. Wer den Laden betritt, gelangt sofort in eine andere Welt, der Verkehrslärm der Frankfurter Innenstadt rückt in den Hintergrund. Es riecht angenehm, bunte Accessoires, Kissen, Kleider, Bilder verleihen dem eigentlich rauen Charme des Gebäudes eine wohlige Atmosphäre. Neben Bildern finden sich Produkte von lokalen Designern, Vintage-Mode oder Wohn-Accessoires, die in Marrakesch in Handarbeit produziert werden. Wer hier stöbert, wird garantiert fündig.

Nadia Doukali hält ein Schwarz-Weiß-Foto von 1968 in den Händen. Darauf zu sehen ist ihr Vater mit etlichen Freunden, die ausgelassen in Marrakesch feiern, Nadia Doukalis Geburtsort. Solche Feiern wurden stets im Bild festgehalten. Bis heute prägt sie dieses Foto, sagt Doukali. „Ich liebe Farben und arbeite gerne mit diesen, aber in der Fotografie mag ich nur Schwarz/Weiß. Es verleiht den Fotos eine andere Stimmung.“

Nadia Doukali zeigt ein altes Foto ihres Vaters und von seinen Freunden aus dem Jahr 1968.

Ein Schwarz-Weiß-Foto von 1968: Darauf zu sehen ist Nadia Doukalis Vater mit etlichen Freunden, die ausgelassen in Marrakesch feiern. Bis heute prägt sie dieses Foto. (Foto: Salome Roessler)

Nadias Kalender-Motiv zeigt drei ihrer Freundinnen im „Café Karin“ an der Frankfurter Hauptwache, die sich dort regelmäßig bei Kaffee und Kuchen treffen. „Ich habe diesen Moment eingefangen und in Schwarz/Weiß gestaltet, um den ansteckenden Moment, dieses lautlose Lachen hörbar zu machen.“ Die Frauen auf dem Bild hätten sich nicht hübsch gefunden und mussten überzeugt werden, erzählt Doukali. „Sie sehen unwirklich schön aus. Sie sind Frankfurter Mädchen.“ Als die abgebildeten Frauen später in der Ausstellung der Kalender-Gewinner viele Komplimente erhalten haben, waren sie glücklich. „Es hat ihr Selbstbewusstsein gestärkt.“ Das Bild hat etwas bewirkt. Und darum gehe es, sagt die Künstlerin.

Das Team der Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen: Daniela Hartmann und Susanne Stöck stehen vor einer bunten Wand.

Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen


Die Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen bei der HA Hessen Agentur GmbH
ist im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums Kooperations- und Ansprechpartnerin für die hessische Kultur- und Kreativwirtschaft. Ihr Ziel ist die Vernetzung, Förderung
und die stärkere Sichtbarmachung der Branche – auch über Landesgrenzen hinaus.

 

Das Team der Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen:
Daniela Hartmann (l.) und Susanne Stöck.

Nadia Doukali hat drei Söhne und arbeitet als Produktentwicklerin im Lebensmittelbereich. Auf den ersten Blick mag das weit entfernt von all ihren anderen Projekten sein. Doch weit gefehlt. Doukali ist die Erfinderin des muslimischen Pendants zum christlichen Adventskalender für den Fastenmonat Ramadan, der 30 Tage dauert. Vor zehn Jahren bringt sie den ersten Ramadan-Kalender auf den Markt; gefüllt mit Dattelschokolade, die sich hinter 30 Türchen verbergen. In der muslimischen Welt wird das Fasten traditionell mit der Dattel oder mit Milch gebrochen wird. Doukali wollte die beiden Produkte kombinieren. Herausgekommen ist eine Dattel, die von Schokolade umhüllt ist. Die Datteln sind halal.

Doukali ist stolz auf ihre Erfindung, auch wenn es Diskussionen um den Kalender gab. „Ich wurde dafür kritisiert, hätte eine christliche Idee übernommen.“ Von der muslimischen Gemeinde haben sie hingegen sehr viele positive Rückmeldungen erhalten. Und der Erfolg gibt ihr recht. Der Kalender gehört mittlerweile für viele Musliminnen und Muslime zum Fastenmonat dazu.

Nadia Doukali mit ihrem Gewinner-Bild, das eingerahmt am Boden steht.

Nadia Doukali mit ihrem Kalender-Motiv „Frankfurter Mädchen“. (Foto: Salome Roessler)

Wer Nadia Doukali kennenlernt, merkt schnell, dass diese Frau nicht stillsitzen kann. „Ja, das stimmt. Ich habe immer ein Projekt“, sagt sie. Die Frankfurterin hat mehrere Kinderbücher geschrieben. Diese hätten immer eine ernste Thematik, erklärt sie, so wie das Buch „Kikos Lachen“, ein Geschenk an das Hospiz Löwenmut in Wiesbaden, für das Doukali als Botschafterin fungiert. Doukali arbeitet darin den gesellschaftlichen Umgang mit Kindern mit Behinderungen auf. Die Hauptfigur der Geschichte ist ein Kind mit Down-Syndrom. „Ich versuche, auf kindgerechte Weise zu zeigen, wie unsere Gesellschaft mit diesem Thema umgeht.“ Ein Buch, das Mut machen, etwas verändern soll.

Etwas bewirken wollen, mit dem ganzen Herzen dabei sein. Das beschreibt die vielen Projekte von Nadia Doukali treffend. So war es auch bei ihrer Teilnahme am „Feels like Hessen“-Kalenderwettbewerb. Ein Foto könne eine ganze Geschichte erzählen, der Betrachter müsse darüber nachdenken, es hinterfragen, erklärt die Künstlerin. Das sei immer eine Herausforderung. Dass hessischen Künstlern so eine Plattform gegeben werde, schätzt Doukali. Man könne auf unterschiedliche Weise zeigen, was einem Hessen, die Heimat, bedeute.

Nadia Doukali sitzt auf einer Treppe.

Nadia Doukali im Pop-Up-Store in der Berliner Straße in Frankfurt, in dem sie ihre Bilder ausstellt und verkauft.
(Foto: Salome Roessler)

 „Frankfurter Mädchen“, so hat Doukali ihr Bild genannt. In Frankfurt treffen viele Kulturen aufeinander. Nadia Doukali ist hier zuhause. Sie wird in Marrakesch geboren, kommt als Kind nach Deutschland, geht in einen katholischen Kindergarten und ist später als Funkenmariechen aktiv. „Ich bin multireligiös aufgewachsen. Ich bin ein richtiges Frankfurter Mädchen.“ Hessen sei rau, aber liebevoll. Sie sei definitiv eine echte Hessin, sagt Doukali. Und man glaubt es ihr sofort. Hier verschmelzen Kulturen. „Marrakesch am Main“, fügt Doukali schmunzelnd hinzu.

Drei Frauen sitzen mit Kaffee und Kuchen zusammen an einem Tisch in einem Café.

Das Mai-Motiv des „Feels like Hessen“-Wandkalenders 2023. (Foto: Nadia Doukali)