Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft

von Benjamin Jungbluth

Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft

von | 8. Jun 2022 | Allgemein, Kunst & Kultur, Leben, Wirtschaft

Hessische Kultur- und Kreativwirtschaft kommt in Frankfurt zusammen

Rund 450 Teilnehmer*innen haben beim 5. Kreativwirtschaftstag in Frankfurt die Themen Transformation und Nachhaltigkeit diskutiert – und wichtige Impulse weit über ihre Branche hinaus gesendet.

Es sind mitunter lebhafte Gespräche, die sich an diesem sommerlich warmen Junitag im großen gläsernen Foyer der Frankfurt School of Finance and Management entwickeln: Über die Rolle der Kreativbranche in der weltweit angespannten Wirtschaftslage, über die Notwendigkeit, den Klimawandel trotz aller weiterer Krisen unserer Zeit mit innovativen Ideen zu begrenzen oder über die vielfältigen Möglichkeiten, sich in Hessen mit anderen Kultur- und Kreativschaffenden zu vernetzen. Der 5. Kreativwirtschaftstag ist für viele Teilnehmer*innen das langersehnte Wiedersehen nach einer zwei Jahre andauernden und mitunter schwierigen Corona-Zwangspause, in der das Branchentreffen nur rein digital stattfinden konnte. Jetzt gibt es endlich wieder ein reales Zusammenfinden und den persönlichen Austausch.

Doch es geht auch um ganz konkrete Projekte, die nicht nur für die Kultur- und Kreativszene relevant sind, sondern weit in die Gesellschaft ausstrahlen: Unter dem Titel TRAN5FORM steht die notwendige Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft im Mittelpunkt. Wie kann dabei die Kreativbranche mit ihren zahlreichen Teilmärkten – von der Software- und Games-Industrie über Design und Architektur bis hin zu Kunst und Kultur – eine Rolle spielen? Welche Unterstützung benötigt sie dafür? Und wieso ist das alles überhaupt für die Gesellschaft relevant?

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir beim 5. Kreativwirtschaftstag in Frankfurt.

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir beim 5. Kreativwirtschaftstag in Frankfurt. (Foto: Benjamin Jungbluth)

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir findet dafür bei seiner Eröffnungsrede deutliche Worte: „Zum Ende des fossilen Zeitalters steht gerade die Wirtschaft unter enormem Innovations- und Transformationsdruck. Produkte, Verfahren und Dienstleistungen genauso wie Unternehmen selbst bedürfen stetiger Innovation, um wirtschaftliche Leistungskraft und Dynamik langfristig zu erhalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen“, sagt Tarek Al-Wazir. „Ich habe Kreative als Menschen kennengelernt, die über den Tellerrand hinausschauen. Sie beschäftigen sich mit der Zukunft und wie sie diese mitgestalten können. Das ist hochpolitisch.“

Für die rund 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – vor Ort in der Frankfurt School of Finance and Management und online per Livestream – geht es also um mehr als nur um eine Beschäftigung mit sich selbst. Sie wollen etwas verändern, neue Wege ausprobieren und innovative Ideen in die Realität umsetzen. Auch, um diese Stück für Stück ein kleines bisschen besser zu machen. So wie die Werbeagentur und Werbeproduktion creart aus Fulda: Beim 5. Kreativwirtschaftstag sind Geschäftsführerin Anika Wuttke und ihr Prokurist Torsten Gröger mit einem Stand vor der Mainstage vertreten, um ihr CoffeeCup Paper vorzustellen. Das hochwertige Recyclingpapier, das sich für anspruchsvolle Werbe- und Spezialdrucke eignet, wird dank eines selbstentwickelten und innovativen Verfahrens aus Einweg-Papierbechern hergestellt.

Geschäftsführerin Anika Wuttke und Prokurist Torsten Gröger von der Werbeagentur und Werbeproduktion creart aus Fulda.

Geschäftsführerin Anika Wuttke und Prokurist Torsten Gröger von der Werbeagentur und Werbeproduktion creart aus Fulda haben beim 5. Kreativwirtschaftstag ihr CoffeeCup Paper vorgestellt. (Foto: Benjamin Jungbluth)

„Wir drucken beispielsweise den Nachhaltigkeitsbericht von McDonalds Deutschland LLC auf Papier, das zu 100 Prozent aus Recyclingpapier besteht, welches zu einem großen Teil aus benutzten Trinkbechern der Fastfood-Kette hergestellt wird. Zusammen mit der IGEPA Großhandel GmbH aus Dieburg und der Koehler Paper Group sind wir in der Lage, die Beschichtungen der Trinkgefäße zu entfernen und so das wertvolle Altpapier der Einwegbecher nutzbar zu machen. Dadurch kann viel Abfall vermieden werden – und gleichzeitig stellen wir kreativen Branchen ein für sie optimales Produkt zur Verfügung“, erklärt creart-Prokurist Torsten Gröger.

Direkt nebenan hat Daniel Schulz, Gründer und CEO von Preality, detailverliebte Messehallen und Verkaufsshops „aufgebaut“: Mit VR-Brillen können die Teilnehmer*innen des Kreativwirtschaftstags mitten im Hochschul-Foyer in digitale Welten eintauchen oder eine Shoppingtour unternehmen, indem sie durch ihre Handykamera realitätsgetreue Uhren an ihren Handgelenken probetragen. „Unsere Software-Lösung ermöglicht es beispielsweise Unternehmen aus dem Modebereich und der Industrie, ihre Produkte digital ansprechend zu präsentieren: Wir bringen analoge Produkte in die virtuelle Welt und bieten ein Nutzungserlebnis mit einem hohen Designanspruch“, erklärt Daniel Schulz, während seine Mitarbeiterin Thivyani Ravichandran die VR-Brillen für die nächsten Besucher anpasst.

Daniel Schulz, Gründer und CEO von Preality und seine Mitarbeiterin Thivyani Ravichandran.

Daniel Schulz, Gründer und CEO von Preality und seine Mitarbeiterin Thivyani Ravichandran haben die Besucher des Kreativwirtschaftstages mit VR-Brillen in digitale Welten eintauchen lassen. (Foto: Benjamin Jungbluth)

„Unser Schwerpunkt liegt dabei nicht nur auf innovativen technischen Lösungen, sondern insbesondere in der kreativen Gestaltung. Für Verbraucher*innen ist das ein ganz entscheidender Faktor, denn sie wollen auch in der digitalen Welt Design und Kreativität erleben“, sagt Daniel Schulz, CEO des in Ginsheim-Gustavsburg gegründeten Start-ups Preality.

Währenddessen tauschen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kreativwirtschaftstags in den mehr als 20 Gesprächsrunden, Workshops und Vorträgen über die unterschiedlichsten Aspekte der gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Transformation aus: Es geht um Gemeinwohl-Ökonomie, Demokratie und Design, Female Leadership, Musik als Träger von Ideen und die Kreativwirtschaft als Katalysator für die Nachhaltigkeitskommunikation. Hochschuldozent*innen sitzen ebenso auf dem Podium wie Vertreter*innen der Landes- und Kommunalpolitik, außerdem Publizisten, Gründer*innen und CEOs großer Agenturen. Diese bunte Mischung macht die Kreativbranche aus – und ist für den Abschlussredner des 5. Kreativwirtschaftstags elementar wichtig für die Zukunft unseres Landes.

„In Deutschland entgeht uns zu viel Potenzial, weil wir kreativen Ansätzen noch nicht genügend Raum geben: Vielfalt, Offenheit und Toleranz sind ganz entscheidende Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung. Wir müssen Gruppen, die bislang zu wenig zur Geltung kommen, viel stärker einbeziehen – Frauen, Migranten und Menschen aus bildungsfernen Familien sind für die Gesellschaft und die Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung“, betont Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin, in seiner Abschlusskeynote.

Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und
Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. (Foto: Benjamin Jungbluth)

„Auch wir Wissenschaftler*innen müssen raus aus unserem sprichwörtlichen Elfenbeinturm, um unseren gesellschaftlichen Einfluss durch Innovationen stärker zur Geltung bringen zu können. Ganz ähnlich sieht es mit der Kultur- und Kreativbranche aus: Dort braucht es eine noch engere Verknüpfung zwischen den Kreativen und der Privatwirtschaft. Dann wird die Transformation keine Bedrohung sein, sondern eine Chance, unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand zu sichern. Deutschland wird sich auch wirtschaftlich neu erfinden müssen. Dies erfordert Kreativität und Innovation, die durch bessere Rahmenbedingungen bei Forschung und Entwicklung, weniger Bürokratie, klügere Regulierung, mehr Offenheit und Toleranz gezielt gefördert werden sollten“, sagt Prof. Marcel Fratzscher und erntet viel Beifall aus dem Publikum.

In der anschließenden Diskussion wünschen sich Teilnehmer*innen konkrete Anlaufstellen für Kreative und deren Projektideen – für den hessischen Wirtschaftsstaatsekretär Dr. Philipp Nimmermann die passende Gelegenheit, auf die Geschäftsstelle Kreativwirtschaft der Hessen Agentur sowie das StartHub der Hessen Trade & Invest GmbH zu verweisen. „Wir sind sehr froh, dass wir diese Strukturen anbieten können und dass Branchentreffen wie der Kreativwirtschaftstag wieder vor Ort möglich sind. Denn gerade bei den großen Herausforderungen, vor denen wir als Gesellschaft stehen, ist der intensive Austausch zwischen der Politik und den einzelnen Bereichen der Wirtschaft von enormer Bedeutung“, betont Staatssekretär Dr. Philipp Nimmermann.

Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen.

Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. (Foto: Oliver Rüther / HMWEVW)

Mit eben diesem Austausch geht der 5. Kreativwirtschaftstag langsam zu Ende. Im gläsernen Foyer der Frankfurt School of Finance and Management diskutieren Kreativschaffende, Politikvertreter*innen und Wissenschaftler*innen weiter, noch lange, nachdem die Techniker*innen mit dem Abbau der Mainstage begonnen haben. So sehr sich Online-Konferenzen während der Corona-Pandemie bewährt haben: Nach zwei Jahren Zwangspause ist auch in der innovativen Kreativbranche die Sehnsucht nach realen Treffen und persönlichen Netzwerken deutlich zu spüren.

Kreativwirtschaftstag 2022

Der Kreativwirtschaftstag versteht sich als Netzwerkevent für die Kreativbranche, aber auch als Impulsgeber für die Gesellschaft. Die 5. Ausgabe 2022 wurde von der Geschäftsstelle Kreativwirtschaft der Hessen Agentur in Kooperation mit dem Creative Hub Frankfurt durchgeführt.

Programmpartner*innen waren in diesem Jahr die see-Conference, der Rat für Formgebung, der Verband Deutscher Industrie Designer (VDID), der Deutsche Werkbund Hessen, Lürzer’s Archive und gamearea-Hessen. Kooperationspartner war erneut das Kompetenzzentrum Kreativwirtschaft der Wirtschaftsförderung Frankfurt.

Auftraggeber ist das Hessische Wirtschaftsministerium.

Das Design des Kreativwirtschaftstages 2022.