Die Grenzenlosigkeit des Raumes für Innovation

von Thorsten Schulte

Die Grenzenlosigkeit des Raumes für Innovation

von | 6. Mai 2021 | Wirtschaft, Wissenschaft

Bedeutung des Klimaschutzes wird im All sichtbar

Eine Gesellschaft, die aufhört neugierig zu sein und zu forschen, entwickelt sich nicht weiter. „Wir wissen alle, dass es für Ideen keine Grenzen gibt. Visionen haben eine enorme Kraft für die Gestaltung unserer Zukunft“, sagte Thomas Reiter, der von 1992 bis 2007 ESA-Astronaut war, auf dem Hessischen Innovationskongress im November 2020. Zugleich betonte er, dass Innovation kein Selbstläufer ist. Wichtig sei es, eine Vision auch als Anstoß zu nehmen, um mit Zuversicht Initiativen zu starten, erläuterte er: „Dafür muss man arbeiten.“

Die Raumfahrt ist dabei heute ein wichtiger Innovationsmotor, weiß auch Dr. Carsten Ott, der Abteilungsleiter Technologie & Innovation bei der Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI). Seine Abteilung organisiert seit 2017 die landesweit größte Veranstaltung zur Innovationsförderung, den Hessischen Innovationskongress – jedes Jahr mit frischen Ideen, kreativen Neuheiten und vor allem mit ganz viel Leidenschaft. „Telekommunikation und Navigation beispielsweise nehmen wir als selbstverständlich und denken gar nicht daran, dass dafür eine riesige Infrastruktur im Weltraum erforderlich ist“, sagt Ott. Dank der Technik im Weltraum verstehen Forscher immer besser, wie es um unseren Planeten bestellt ist. Auch die Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen gegen den Klimawandel ist aus dem All zu sehen.

Vier Personen stehen vor einer Präsentation

Dr. Carsten Ott (links), Abteilungsleiter Technologie & Innovation bei der HTAI, mit Dr. Frank Zimmermann (rechts), Geschäftsführer des cesah, bei der Preisverleihung zum Ideenwettbewerb 2019. Gemeinsam werden innovative Ideen im Bereich der Satellitennavigation oder der Erdbeobachtung ausgezeichnet. (Foto: cesah)

Thomas Reiter betonte auf dem Kongress, „wie einsam und verlassen unser Planet in der Unendlichkeit des Weltraums ist. Die Erde ist nicht das Zentrum unseres Universums. Die Raumfahrt hat uns überwältigende Blicke von außen und in die Tiefen des Weltraums ermöglicht.“ Dieser Blick brenne sich ein, jeder Astronaut sei begeistert von dem Blick auf die Erde. „Auf der anderen Seite ist man auch besorgt, wenn man sieht, wie hauchdünn unsere Atmosphäre ist.“ Sie muss mit allen Mitteln geschützt werden. Reiter unterstrich eindringlich, dass mit Ressourcen sorgsam umgegangen werden muss.

Dr. Ott ergänzt: „Die Menschheit verbraucht derzeit 60 Prozent mehr an Ressourcen als das, was unser Planet erneuern kann. Ein anderer Umgang mit unseren Ressourcen ist daher zwingend notwendig, um unser Klima zu schützen.“ Ressourceneffizienz ist ein zentrales Thema der HTAI. Die sechste Ausgabe des Magazins „Technologieland Hessen“ befasst sich mit Themen der Nachhaltigkeit und der Verbesserung von Produktionsprozessen.

Dr. Carsten Ott, Abteilungsleiter Technologie & Innovation der HTAI

„Ein anderer Umgang mit unseren Ressourcen ist
zwingend notwendig, um unser Klima zu schützen.“

Dr. Carsten Ott
Abteilungsleiter Technologie & Innovation

In Darmstadt hat sich mit so bedeutenden Einrichtungen wie dem Satellitenkontrollzentrum ESOC der Europäischen Weltraumorganisation ESA, dem Centrum für Satellitennavigation Hessen (cesah) und dem Wettersatellitenbetreiber EUMETSAT ein Kompetenzzentrum speziell für die Raumfahrtindustrie entwickelt. Daten sind das Erdöl der Zukunft. „Und die Raumfahrt liefert große Mengen solcher Daten“, so Thomas Reiter. Dementsprechend hat sich im Umfeld eine Reihe von Unternehmen angesiedelt, die für die Raumfahrtindustrie tätig sind. Allein im ESOC selbst arbeiteten im Jahr 2019 neben den über 270 ESA-Beschäftigten rund 600 Mitarbeiter von Vertragsfirmen.

Aufgrund seiner hoch entwickelten Technik und seiner Spezialisten-Teams ist das ESA-Satellitenkontrollzentrum in der Lage, gleichzeitig über 15 Satelliten in Routine und weitere Satelliten in der frühen Startphase zu kontrollieren bzw. weltweit renommierte Rettungsaktionen durchzuführen.

Das Informations- und Gründerzentrum für Satellitennavigation cesah ist ein dynamisches Kompetenzzentrum für alle Ideen mit Raumfahrtbezug. Es wird vom Land Hessen, der Stadt Darmstadt, der Technischen Universität und der Hochschule Darmstadt sowie von großen Unternehmen der Region getragen. Als Partner der ESA Business Incubation Initiative unterstützt cesah junge Unternehmen und Neugründungen bei der Entwicklung, Realisierung und Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen mit Bezug zur Satellitennavigation.

Plakat der Hessen Agentur mit Thomas Reiter im Weltraum

Hessen wirbt mit dem Slogan „Wir haben aussichtsreiche Arbeitsplätze“ mit ESA-Astronaut Thomas Reiter im Weltraum. Im Februar 2021 hat die ESA eine Stellenanzeige veröffentlicht und sucht nach neuen Astronauten. (Foto: NASA; handsigniertes Plakat mit Unterschriften von Thomas Reiter und Alexander Gerst)

Aber nicht nur in Südhessen, sondern auch in anderen hessischen Regionen finden sich herausragende Beispiele für die Raumfahrtindustrie, die in Hessen eine lange Tradition hat. Thomas Reiter weist stets darauf hin, dass die Raumfahrt „auf eine extrem hohe Zuverlässigkeit der Systeme angewiesen“ ist. Hessische Unternehmen stellen sich dieser Herausforderung. Beginnend mit der Apollo 15-Mission im Jahr 1971 wurden beispielsweise zahlreiche Satelliten und Raumsonden wie auch Mars-Erkundungsfahrzeuge mit Präzisionsgetrieben von Harmonic Drive aus Limburg ausgestattet. Und damit das Andocken des Weltraumfrachters ATV an die Internationale Raumstation ISS reibungslos funktioniert, wurden Leica Laser Tracker der heutigen Hexagon Metrology GmbH in Wetzlar eingesetzt.

Die Vakuumtechnik von Pfeiffer Vacuum in Aßlar findet u.a. Anwendung bei Raumsimulationskammern und bei Experimenten auf der ISS. Auch das Weltraumteleskop der CHEOPS Mission der ESA wurde in einer speziell konzipierten Vakuumkammer von Pfeiffer Vacuum getestet. Die Pfeiffer Vacuum GmbH wurde 2011 als „Hessen-Champion“ in der Kategorie Weltmarktführer ausgezeichnet. Vakuumkammern, mit denen Bauteile für Satelliten unter extremen Weltraumbedingungen geprüft werden können, gehören auch zum Portfolio der Schunk Group in Heuchelheim, die zudem High-Tech-Beschichtungen (z.B. für den Satellitenspiegel des Satelliten Gaia oder die Brennkammern der Trägerrakete Ariane 5) entwickelt. Für die Herstellung von Bauteilen für die Ariane 6 Rakete entwickelte der Spezialmaschinenbauer Roth Composite Machinery aus Steffenberg im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf eine „Filament Winding Anlage“ (Faserwickelanlage).

Am 18. Februar 2021 ist der NASA-Rover Perseverance auf dem Mars gelandet. Noch nie war ein Raumfahrzeug, das den Planeten erkundet, mit mehr Technik ausgestattet, um die Oberfläche des Mars zu erkunden. Bereits seit 2004 sind Sensoren der Sensitec GmbH aus Wetzlar immer wieder mit an Bord der Marsfahrzeuge. So auch im Fall von Perseverance. Sogenannte „MagnetoResistive Sensoren“ bieten hierbei Vorteile bezüglich Robustheit gegenüber Temperatur und Strahlung, die es erlaubt, einfache und dennoch zuverlässige Systeme zu realisieren.

Die Abteilung Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung der Hessen Agentur erstellt im Auftrag des Wirtschaftsministeriums regelmäßig Branchenprofile. Das aktuelle Profil der Luft- und Raumfahrtindustrie bescheinigt Hessen als wichtigem Raumfahrtstandort neue Chancen im In- und Ausland.

5. Hessischer Innovationskongress

5. Hessischer Innovationskongress

1. und 2. September 2021
Online

Anfang September ist es wieder soweit: Der 5. Hessische Innovationskongress (HIK2021 digital) bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich auszutauschen, zu vernetzen und zu präsentieren. Im Mittelpunkt stehen herausragender, mutiger Unternehmergeist und technologische Innovationen im Zeichen der Zeit.

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