Dorfentwicklung als Herzensangelegenheit

von HA Hessen Agentur GmbH

Dorfentwicklung als Herzensangelegenheit

von | 16. Aug 2023 | Allgemein, Leben, Wirtschaft

Belebung und Aufwertung des Dorfkerns in Jossgrund-Paffenhausen


Inmitten von Wäldern und Feldern liegt Jossgrund – eine Gemeinde, die als Pionierin der hessischen Dorfentwicklung gelten darf. Jossgrund hat als erste Gemeinde in Hessen den strategischen Sanierungsbereich erfolgreich umgesetzt. In der Dorfscheune des Ortsteils Pfaffenhausen sind nun die Ergebnisse des Projekts vorgestellt worden.

„Hier ist ein Ort, der von Tradition, Gemeinschaftssinn und einem starken Wir-Gefühl geprägt ist.“ Mit diesen Worten begrüßt Bürgermeister Victor Röder das interessierte Publikum im Herzen Paffenhausens und nutzt das „Praxisforum vor Ort“, um den Beteiligten für ihren Einsatz zu danken. „Wir haben gemeinsam Ideen entwickelt und diese nach und nach Realität werden lassen, was bis vor wenigen Jahren noch als visionär und kühn bezeichnet wurde.“

Auf einer Leinwand sind mehrere Häuser zu sehen und der Text "Strategischer Sanierungsplan".

In der Dorfscheune des Ortsteils Pfaffenhausen sind die Ergebnisse des Projekts beim „Praxisforum vor Ort“ vorgestellt worden. (Foto: Dennis Möbus)

Die Vision konnte Wirklichkeit werden, weil die Gemeinde im hessischen Main-Kinzig-Kreis im Spessart aktiv etwas gegen den Trend sinkender Bevölkerungszahlen auf Dörfern unternimmt. Jossgrund hat als erste Gemeinde in Hessen den strategischen Sanierungsbereich erfolgreich umgesetzt. In den vergangenen Jahren sind etliche Maßnahmen zur Belebung und Aufwertung des Dorfkernes durchgeführt worden. Im Mittelpunkt hierbei stehen u.a. der Bau einer Senioren-Dependance, die Modernisierung des Dorfgemeinschaftshauses „Dorfscheune“, die Entwicklung eines bedarfsgerechten Wohnraumangebotes, der Ausbau der Versorgungsinfrastruktur sowie die Sanierung privater Gebäude und die Neugestaltung öffentlicher Freiflächen.

Wie das komplexe Vorhaben gelungen ist, ist nun im Rahmen des „Praxisforums vor Ort“ vorgestellt worden, zu dem das Hessische Umweltministerium eingeladen hatte. Organisiert wurde die Veranstaltung von der HA Hessen Agentur GmbH. Das hat auch das Interesse anderer Kommunen geweckt, die beim „Praxisforum vor Ort“ die Möglichkeit hatten, sich zu informieren. Neben Vorträgen gab es einen Ortsrundgang durch Pfaffenhausen und eine anschließende Podiumsdiskussion.

Der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Jossgrund, Rainer Schreiber, lehnt sich an ein Straßenschild.

Rainer Schreiber, der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Jossgrund. (Foto: Dennis Möbus)

„Das Förderinstrument des strategischen Sanierungsbereichs ist wie gemacht für Pfaffenhausen“, betont der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Jossgrund, Rainer Schreiber. Tatsächlich hatte man in Pfaffenhausen den Zerfall des Ortskerns befürchtet. Schreiber berichtet, dass dem rund 5.000 Quadratmeter großen Zentrum seine traditionsreiche Funktion als Treffpunkt bereits verloren gegangen war, etwa durch eine marode Scheune und andere sanierungsbedürftige Gebäude. „Die Gemeinde stand vor einer Riesenaufgabe“, erinnert sich Schreiber, der die Ortskernsanierung zu seiner Herzensangelegenheit machte.

Viele kleine Orte in Hessen kämpfen mit den gleichen Herausforderungen. Bevölkerungsrückgang, Strukturwandel und die Abwanderung junger Menschen haben das Dorfleben verändert, erklärt Silke Erdmann vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in ihrer Keynote. Die Belebung und Aufwertung des Dorfkerns sind somit wichtige Ziele, um dies zu verhindern und das Leben auf dem Land weiterhin attraktiver zu machen. Bei der Umsetzung hat sich Pfaffenhausen an das vorgegebene Prinzip „Innen vor Außen“ gehalten: Von den Fördermitteln sollen insbesondere die Ortskerne profitieren. Deshalb gehen Projekte immer von einer abgegrenzten Fläche innerhalb des Ortes aus, die auf Basis eines städtebaulichen Gesamtkonzepts als strategischer Sanierungsbereich entwickelt wird – mit Blick auf unterschiedliche Bedürfnisse der Gemeinschaft.

Es sind mehrere Häuser der Gemeinde Jossgrund im hessischen Main-Kinzig-Kreis zu sehen.

Jossgrund im Main-Kinzig-Kreis hat als erste Gemeinde in Hessen den strategischen Sanierungsbereich erfolgreich umgesetzt. (Foto: Hessen Agentur/ Johannes Willwacher)

So steht Pfaffenhausen heute für eine integrative Wiederbelebung des Ortskerns, die von vielen Akteurinnen und Akteuren mitgetragen und an diesem Tag stolz präsentiert worden ist. „Mit Kreativität, Zusammenhalt und Weitblick können wir die Grundlage für eine attraktive und progressive Zukunft der Kommunen in Hessen schaffen“, schlägt Victor Röder den Bogen in die Zukunft. Als aktueller Bürgermeister der Gemeinde setzt er die Arbeit seines Vorgängers Rainer Schreiber fort, der die Teilnehmer und Teilnehmerinnen unter dem Motto „Wir sind doch nicht aus Zucker“ hinaus in den Nieselregen geführt hat. Mit Leidenschaft für sein Heimatdorf hat Rainer Schreiber die Rolle des Tourguides übernommen.

Zu den zentralen Elementen der Sanierung in Pfaffenhausen zählt die Dependance für Seniorinnen und Senioren. Mit dem Ziel, Generationen zu vereinen, ist das moderne Gebäude im Ortskern platziert worden. Dass diese Entscheidung zur Belebung beigetragen hat, wird offensichtlich: Unter den Augen einiger neugieriger Bewohnerinnen und Bewohner hat der ehemalige Bürgermeister Rainer Schreiber das großzügige Alten- und Pflegeheim vorgestellt.

Victor Röder, Bürgermeister der Gemeinde Jossgrund, steht vor dem Haus "Dorfscheune".

Victor Röder, Bürgermeister der Gemeinde Jossgrund. (Foto: Dennis Möbus)

Nur wenige Meter weiter lockt der Duft von frisch gebackenem Brot – hier präsentiert ein privater Bauherr sein Backhaus: Wo zuvor ein Gebäude brach lag, hat das Planungsteam dank privatem Engagement und Fördergeldern einen neuen Ort der Zusammenkunft geschaffen. Nicht nur, um leckere Backwaren gemeinsam herzustellen, sondern einen Treffpunkt für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Hier können beispielsweise der Kindergarten und die Senioren-Dependance gemeinsam Projekte verwirklichen – Jung und Alt Hand in Hand.

Der Rundgang durch den Pfaffenhausener Ortskern führt entlang sanierter Wohnhäuser, die dem Bedarf an Lebensraum der Gemeinde entsprechen, über neu gestaltete öffentliche Freiflächen mit viel Grün und Verweilmöglichkeiten bis zum plätschernden Bächlein Jossa. Nur ein paar Meter weiter ist ein Lebensmittelmarkt zu finden, der sich in einem Gebäude befindet, welches ebenfalls durch Fördermittel zu einer beliebten Anlaufstelle für tägliche Besorgungen geworden ist. Zusätzlichen sind in diesem Gebäude Wohnungen entstanden. Inmitten der neuen Gebäude sorgt der frisch gepflasterte Dorfplatz mit seiner Linde für eine einladende Atmosphäre.

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

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(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

(Foto: Dennis Möbus)

Die Dorfscheune, in der das Praxisforum stattgefunden hat, ist auch im Rahmen des Programms saniert worden und hat sich zu einem Ort des Austauschs entwickelt. So auch an diesem Tag: Andreas Fey, Bürgermeister der Stadt Kirtorf, Viola Reusing für den Main-Kinzig-Kreis sowie der Architekt und Stadtplaner Klaus Heim tauschen sich mit Rainer Schreiber bei einer Podiumsdiskussion über ihre Erfahrungen mit dem Förderinstrument aus. „Not macht aktiv“, berichtet Andreas Fey aus dem Vogelsbergkreis, „doch ohne Förderung hätten wir das Großprojekt in Kirtorf nie angehen können“. Der Bau eines Fachärztezentrums stehe in den Startlöchern. Auch seien Co-Working-Flächen in den Fachwerkhäusern, die den alten Ortskern prägen, geplant. „Beide Projekte zeigen, dass Modernität und Innovation nicht nur Städten vorbehalten sind. Sie werden auch in ländlichen Regionen benötigt“, betont Klaus Heim aus planerischer Sicht.

Andreas Fey, Bürgermeister der Stadt Kirtorf, steht mit einem Mikrofon in der Hand auf einer Bühne.

Andreas Fey, Bürgermeister der Stadt Kirtorf. (Foto: Dennis Möbus)

„Das Praxisforum macht einmal mehr klar, wie dringlich die Dorfentwicklung ist“, betont Mathias Trümner (Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) in einem Schlusswort. Zur Anerkennung als strategischer Sanierungsbereich sei ein erhöhter Handlungs- und Entwicklungsbedarf notwendig. Weiterhin Grundlage für die Förderung und Voraussetzung ist ein qualifiziertes Fachkonzept mit Zeit-, Kosten- und Finanzierungsplan sowie eine Absichtserklärung mit öffentlichen und privaten Partnern. Die Beratung zur Dorf- und Regionalentwicklung und zum strategischen Sanierungsbereich erfolgt über die hessischen Landkreise als Bewilligungsstellen. Die Anerkennung strategischer Sanierungsbereiche erfolgt durch die WIBank und das zuständige Fachministerium.

Mathias Trümner vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, steht mit einem Mikrofon in der Hand auf einer Bühne und spricht zum Publikum.

Mathias Trümner vom Hessischen Umweltministerium. (Foto: Dennis Möbus)

Einigkeit herrscht bei diesem Praxisforum darüber, in hessischen Gemeinden eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Wer bereits hier lebt, soll sich zu Hause fühlen. Und wer ein lebenswertes Zuhause sucht, soll fündig werden. Was dazu erforderlich ist, wird klar benannt: die Bewahrung des kulturellen Erbes, die Aufwertung der Dorfkerne, die Schaffung von lebenswerten Wohnräumen, die Verbesserung der Infrastruktur sowie die Förderung von kulturellen und sozialen Angeboten.

Um die Funktionsvielfalt der Ort zu erhalten, seien ein Zusammenspiel von kommunalen und nicht-kommunalen Maßnahmen sowie eine kluge Bodenbevorratung notwendig. „Private Bauherrinnen und Bauherren gewinnt man vor allem durch eine offene und ehrliche Kommunikation. Das erfordert ein besonders hohes Engagement und einen langen Atem von den Entscheidungsträgern und der Gemeindeverwaltung“, sagt Rainer Schreiber, der das Projekt bis zu Amtsübergabe motiviert und pragmatisch vorangetrieben hatte und die Veranstaltung mit dem Resümee schließt: „Es war nicht immer einfach, aber es lohnt sich.“

Die Dokumentation des Praxisforums steht in Kürze als Download hier zur Verfügung.

Broschüre „Bauen im Ortskern“

Förderung für hessische Gemeinden

Strategischer Sanierungsbereich ist ein Förderinstrument des Programms „Dorfentwicklung in Hessen“. Grundlage sind ein qualifiziertes Fachkonzept mit Zeit-, Kosten- und Finanzierungsplan sowie eine Absichtserklärung mit öffentlichen und privaten Partnerinnen und Partnern.

Die Beratung zur Dorf- und Regionalentwicklung und zum strategischen Sanierungsbereich erfolgt über die hessischen Landkreise als Bewilligungsstellen. Die Anerkennung strategischer Sanierungsbereiche erfolgt durch die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank) und das zuständige Fachministerium.

Servicestelle „Vitale Orte 2030“

Die Servicestelle bietet Beratung und Unterstützung für Kommunen und lokale Akteurinnen und Akteure im ländlichen Raum. Ziel der Servicestelle ist es, erfolgreiche Ansätze und Ideen sichtbar zu machen, Erfahrungen zu teilen und den Austausch der Akteurinnen und Akteure untereinander zu stärken. Zudem werden Informationen über Förderprogramme, themenspezifische Veranstaltungen und weitere Unterstützung angeboten. Trägerin der Servicestelle ist die HA Hessen Agentur GmbH.