Altes Kunsthandwerk erhalten

von Benjamin Jungbluth

Altes Kunsthandwerk erhalten

von | 22. Jun 2023 | Allgemein, Kunst & Kultur, Leben, Wirtschaft

August-Motiv des „Feels like Hessen“-Kalenders von Axel Rössler

Ein analoger Siebdruck von Axel Rössler ziert den August des „Feels like Hessen“-Wandkalenders 2023. In seiner Werkstatt in Maintal hat sich der Kunsthandwerker auf diese alte Technik spezialisiert und gestaltet teils metergroße Unikate.

Auf den ersten Blick ist es ein harter Kontrast, der zwischen dem Gewinner-Motiv von Axel Rössler und der Atmosphäre in seiner Künstlerwerkstatt in Maintal liegt: Hier der naturbelassene Apfelbaum voller saftig grüner Früchte auf der Streuobstwiese, dort der Blick durch große Fabrikfenster auf Industrieschornsteine und Werkshallen. „Aber genau das macht für mich Hessen aus – diese Verbindung von sanfter Natur und pulsierenden Zentren. Da entsteht eine ganz besondere Stimmung, die für Künstler und Kreative sehr hilfreich sein kann“, sagt Axel Rössler.

Axel Rössler in seiner Werkstatt in Maintal.

In seiner Werkstatt in Maintal hat sich Axel Rössler auf den analoger Siebdruck spezialisiert. (Foto: Salome Roessler)

In seiner Werkstatt, nicht weit vom Mainufer und mitten zwischen Frankfurt und Hanau, hat Axel Rössler das August-Motiv des „Feels like Hessen“-Kalenders entworfen. Im hinteren Bereich eines industriellen Druckunternehmens hat er gemeinsam mit seiner Frau Ellen Wagner unter dem Label „Print now – Riot later“ ein kleines künstlerisches Refugium erschaffen: Überall stehen bunte Farbtuben, fein säuberlich sind Werkzeuge und Vorlagen geordnet, dazwischen finden sich bedruckte Stoffbahnen und Leinwände mit den unterschiedlichsten Mustern, Formen und Motiven. „Der analoge Siebdruck ist ein altbewährtes Kunsthandwerk, aber leider vom Aussterben bedroht. Dem wollen wir hier etwas entgegensetzen“, sagt Axel Rössler mit einem Lächeln.

Seinen Lebenstraum von einer eigenen Werkstatt verwirklichte sich Axel Rössler erst vor wenigen Jahren. Ursprünglich studierte er Grundschullehramt, schwenkte dann Mitte der 90er-Jahre, mit den Anfängen von Photoshop und Co, in den Bereich digitale Gestaltung und 3D-Animation um. „Ich habe damals quasi mein Hobby zum Beruf gemacht und war auch lange Jahre sehr glücklich bei einem Frankfurter Label. Aber irgendwann kam bei mir der Wunsch auf, weniger am Computer und dafür mehr in einem handwerklichen Bereich zu arbeiten. Und so habe ich den analogen Siebdruck für mich entdeckt“, erzählt Axel Rössler mit Blick auf die zahlreichen Stoffbahnen in seiner Werkstatt.

Axel Rössler in seiner Werkstatt in Maintal.

Im hinteren Bereich eines industriellen Druckunternehmens hat Axel Rössler gemeinsam mit seiner Frau Ellen Wagner unter dem Label „Print now – Riot later“ ein kleines künstlerisches Refugium erschaffen. (Foto: Salome Roessler)

Zusammen mit seiner Frau Ellen Wagner hat er sich in den vergangenen Jahren eine Nische aufgebaut, die in Hessen und ganz Deutschland fast einmalig ist: Auf einem sechs Meter langen und fast zwei Meter breiten Tisch bearbeiten die beiden riesige Stoffbahnen mit der althergebrachten Drucktechnik. Ganz ohne maschinelle Hilfen, sondern nur mit selbstentwickelten Werkzeugen, verteilen sie die Farben und pressen sie durch Schablonen auf den Stoff.

Dabei müssen sie auf eine exakt abgestimmte Geschwindigkeit achten – einmal begonnen, kann der Druckvorgang nicht mehr aufgehalten werden, weshalb die Farbe in einem Zug aufgebracht werden muss. „Wir haben unzählige Versuche benötigt, um das optimale Tempo zu finden und auch bei komplexen Motiven perfekte Ergebnisse zu erreichen. Wobei Perfektion natürlich nicht bedeutet, dass unsere Werke alle identisch werden. Minimale Variationen bei den Farben und Linien gehören beim analogen Siebdruck trotz aller Vorarbeit am Computer dazu und unterscheiden ihn von industrieller Massenware. Es ist eben reine Handarbeit“, sagt Axel Rössler.

Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen

Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen

Die Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen bei der HA Hessen Agentur GmbH ist im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums Kooperations- und Ansprechpartnerin für die hessische Kultur- und Kreativwirtschaft.

Ihr Ziel ist die Vernetzung, Förderung und die stärkere Sichtbarmachung der Branche – auch über Landesgrenzen hinaus.

Zu seinem Repertoire gehören freilich auch kleinere Werke – so wie das Gewinnermotiv für den Monat August des „Feels like Hessen“- Kalenders. Mit gerade einmal 21,6 mal 27,9 Zentimetern wirkt es neben den meterhohen Stoffbahnen in der Maintaler Werkstatt fast winzig. Und doch sticht es mit seinem lebendigen Grün und der abgebildeten reichen Ernte hervor. „Ich bin in der Wetterau aufgewachsen und habe schon als Kind die endlos langen Streuobstwiesen bei uns geliebt. Heute ist Hessen für mich vor allem ein Fest der Sinne: Schattige Bäume, ein Schoppen Apfelwein und der langsam dahinfließende Main – so fühlt sich für mich Heimat an“, sagt Axel Rössler.

Axel Rössler hält sein Gewinnerbild in den Händen.

In seiner Werkstatt, nicht weit vom Mainufer und mitten zwischen Frankfurt und Hanau, hat Axel Rössler das August-Motiv des „Feels like Hessen“-Kalenders entworfen. (Foto: Salome Roessler)

Ganz besonders weiß der Kunsthandwerker seine hessische Nachbarschaft zu schätzen, seit er mit seiner Frau fünf Jahre in Arizona im Süden der USA gelebt und gearbeitet hat. Über einen guten Freund und dank einer Green Card konnte das Ehepaar diese einmalige Chance ergreifen und in dem Wüstenstaat ein völlig anderes Leben erfahren. „Wir hatten dort unglaublich viel Platz und unzählige Möglichkeiten, uns künstlerisch und handwerklich auszuprobieren. Dort ist letztlich auch der Entschluss gereift, dass wir uns mit dieser Arbeit selbstständig machen wollen“, erzählt Axel Rössler.

Und doch war der Kontrast zu Hessen am Ende zu groß: Die grünen Streuobstwiesen und das vielfältige Lebensgefühl in der Mitte Deutschlands sorgten 2019 für die Rückkehr des Paares. Kurzzeitig stand Berlin als neuer Lebensmittelpunkt zur Wahl, doch dann setzte sich die alte Heimat durch. „Die Rhein-Main-Region ist ein vielfältiges kulturelles Zentrum, aber trotzdem noch überschaubar. Das spiegelt sich sehr schön im „Feels like Hessen“-Kalender wider: Einige der beteiligten Künstler kenne ich schon lange, andere sind ganz neu dabei“, sagt Axel Rössler. „Diese Mischung aus Altvertrautem und neuen Einflüssen wird in den vielstimmigen Motiven des Kalenders wirklich schön abgebildet. Deshalb habe ich gerne meinen Beitrag zu dieser Hessen-Erzählung geleistet.“

Axel Rössler in steht in seiner Werkstatt in Maintal.

Seinen Lebenstraum von einer eigenen Werkstatt verwirklichte sich Axel Rössler erst vor wenigen Jahren.
(Foto: Salome Roessler)

In seiner Werkstatt in Maintal will sich Axel Rössler auch künftig den Feinheiten des analogen Siebdrucks widmen. Seit vergangenem Jahr gibt er sein dabei erworbenes Wissen an die nächste Generation weiter: Als Dozent an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach bietet er den Studierenden Einblicke in das alte Kunsthandwerk. „Die jungen Menschen finden es toll, dass hier nicht alles digital ist und sie bei dieser Tätigkeit die Vorzüge alter Arbeitsweisen entdecken können“, sagt Axel Rössler. „Es ist ein bisschen wie bei den Streuobstbäumen, die ja ebenfalls vom Menschen über lange Zeit gepflegt wurden und die wir zum Glück als wichtigen Teil des Naturschutzes wiederentdeckt haben: Alte Kulturtechniken haben auch in der heutigen Zeit ihre Bedeutung, und es ist eine wunderbare Aufgabe, sie zu erhalten.“

Das Gewinnerbild von Axel Rössler: Ein Baum mit vielen Äpfeln, welche zugleich die Blätter darstellen.

Das August-Motiv des „Feels like Hessen“-Kalenders von Axel Rössler.