Digital besser biegen

von Technologieland Hessen

Digital besser biegen

von | 26. Jan 2022 | Allgemein, Wirtschaft

Herkules Wetzlar optimiert Biegetechnik durch digitale Messung

Ein Unternehmen in Solms-Oberbiel entwickelt gemeinsam mit der TU Darmstadt ein mobiles digitales Messgerät mit Mehrwert für die eigene Produktion – und seine Kunden. Die Serienreife für den Vertrieb durch E-Commerce erfolgt voraussichtlich noch in diesem Jahr.

„Die Rohstoffe sind im Moment der Knackpunkt“, sagt Dr. Dominik Huttel, Geschäftsführer der Herkules Wetzlar GmbH. Ansonsten wäre die aktuelle Innovation des Unternehmens – ein eigens entwickeltes digitales Handmessgerät – bereits serienreif. Somit geht es dem Betrieb in Solms-Oberbiel derzeit wie zahlreichen anderen Industriefirmen in Deutschland: 77,4 Prozent beklagen in einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts Engpässe und Probleme bei der Belieferung mit Vorprodukten und Rohstoffen.

Dr. Dominik Huttel Geschäftsführer Herkules Wetzlar GmbH

„Den Prototypen haben wir inzwischen umfassend getestet. Er hat seine Funktionalität unter Beweis gestellt. Wir haben die erste ‚Nullserie‘ mit 20 Geräten gefertigt und Software sowie Hardware weiter optimiert.“

Dr. Dominik Huttel
Geschäftsführer Herkules Wetzlar GmbH

Das Unternehmen, bereits 1877 in Wetzlar gegründet, ist auf den Anlagenbau von Biegemaschinen und die Herstellung von komplexen Biegeteilen aus unterschiedlichen Materialien spezialisiert.

Der promovierte Maschinenbauer und sein Team sorgen im wahrsten Wortsinn für eine ‚optimale Kurvenlage‘ bei Maschinen und Anlagen. „Das Fertigen solch großer, individueller Bauteile und die Qualitätskontrolle sind sehr komplex. Das erfordert umfassendes Know-how. Kein Projekt gleicht dem anderen, Standardprodukte gibt es bei uns nicht“, erklärt Huttel.

Besondere Herausforderung: Die Messung der Bauteile sowohl während der Produktion als auch nach der Fertigstellung. In den meisten Betrieben der Branche erfolge dies noch manuell anhand von Messlatten und Schablonen, so der Fachmann. Dabei sei das Erfassen der Daten stark an den jeweiligen Beschäftigten gebunden und geschehe nicht immer strukturiert.

In Anbetracht des Mangels an entsprechender Messtechnik bewies sich Herkules Wetzlar als besonders innovativ und erarbeitete selbst eine Lösung: Gemeinsam mit dem Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) der Technischen Universität Darmstadt entwickelte ein Team von Herkules-Experten im Rahmen des Forschungsprojektes „KonPro“ den Prototypen eines mobilen digitalen Messgeräts.

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Informieren, beraten, vernetzen

Im Rahmen des Technologielandes Hessen informiert, berät und vernetzt die Hessen Trade & Invest GmbH Unternehmen, die zukunftsweisende Innovationen entwickeln. Im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums unterstützt sie bei der Entfaltung wirtschaftlicher Potenziale und macht technologische Spitzenleistungen sichtbar.

Damit werden die Konturen der Bauteile abgefahren, die Messergebnisse anschließend digital per WLAN an eine ebenfalls eigens generierte App auf ein Tablet übermittelt. Der Anlagenbediener hat somit alle Daten zur Qualitätskontrolle stets im Blick.

„Wir sparen damit bis zu 70 Prozent an Zeit“, erläutert Huttel den enormen Mehrwert dieser Entwicklung für den Herstellungsprozess. Das für eine ganze Branche wegweisende Projekt wurde durch Mittel der Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert, startete 2018 und lief bis 2020.

„Den Prototypen haben wir inzwischen umfassend getestet. Er hat seine Funktionalität unter Beweis gestellt. Wir haben die erste ‚Nullserie‘ mit 20 Geräten gefertigt und Software sowie Hardware weiter optimiert“, beschreibt Huttel die Arbeitsschritte. Das Handmessgerät wird jedoch nicht nur in der eigenen Produktion eingesetzt, auch zahlreiche Kundinnen und Kunden zeigen daran großes Interesse. Daher plante das Unternehmen zunächst einen Direktvertrieb mit der Bestandskundschaft als Basis, um anschließend einen umfassenden Online-Handel aufzubauen.

Doch dann kam die Pandemie: „Bedingt durch Covid-19 konnten wir leider unsere Kundschaft nicht persönlich besuchen. Wir haben jedoch einigen das Gerät und die Ergebnisse online vorgestellt. Die Resonanz war durchweg positiv“, so Huttel. Erste Termine vor Ort finden inzwischen wieder statt.

Mit dem neuen mobilen Handmessgerät können Konturen von Biegeteilen „abgefahren“ und so gemessen werden.

Bild: © HA Hessen Agentur GmbH / Jan Michael Hosan

Das mobile Handmessgerät im Detail

Bild: © HA Hessen Agentur GmbH / Jan Michael Hosan

Zusätzliches Plus in diesem Kontext: Herkules Wetzlar kann dann zukünftig nicht nur neue Maschinen inklusive Messgerät ausliefern, sondern auch bereits vorhandene Maschinen nachträglich damit ausrüsten. Denn: „Grundsätzlich sind solche Anlagen recht langlebig. Bis zu 30 Jahre Laufzeit sind keine Seltenheit. Neue Angestellte können bei Verwendung des zusätzlichen Messgeräts auf bereits vorhandene Informationen und Daten zurückgreifen und sind dadurch auch schneller eingearbeitet“, erklärt Huttel.

Aktuell können die Messdaten auf dem Tablet gespeichert und auch exportiert werden. Weitere Innovationen sind jedoch bereits in Planung: Das Gerät soll in absehbarer Zeit noch ganzheitlicher arbeiten und die gemessenen Ergebnisse wieder an die Maschine zurücksenden. Die hierfür geschätzte Entwicklungszeit beziffert Huttel auf ein bis zwei Jahre. Die ganze Region darf also weiterhin gespannt sein.

Wissenswertes zum Thema

KonPro war ein Gemeinschaftsprojekt von Herkules Wetzlar GmbH und dem Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) der TU Darmstadt.

Das Vorhaben (HA-Projekt-Nr.: 632/18-55) wurde vom 1. Juni 2018 bis zum 31. August 2020 im Rahmen der Innovationsförderung Hessen aus Mitteln der LOEWE gefördert (Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz, Förderlinie 3: KMU-Verbundvorhaben).

Weitere Informationen gibt es unter www.innovationsfoerderung-hessen.de.