Kreativbranche setzt auf Digitalisierung und Verantwortung

von Benjamin Jungbluth

Kreativbranche setzt auf Digitalisierung und Verantwortung

von | 23. Sep 2021 | Kunst & Kultur, Wirtschaft

4. Kreativwirtschaftstag als Digitalevent aus dem Campus Westend der Universität Frankfurt

Beim 4. Kreativwirtschaftstag haben sich Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich digital vernetzt und gemeinsam mit dem Hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir Gedanken über ihr Selbstverständnis gemacht.

Es sind unruhige Zeiten für die Kreativbranche mit ihren vielfältigen Teilmärkten, von Software- und Games-Industrie über Design und Architektur bis hin zu Kunst und Kultur: Die Corona-Krise hat diese Bereiche besonders hart getroffen. Über Monate gab es kaum noch Veranstaltungen und Live-Auftritte, dafür große Umsatzeinbußen und bisweilen Existenzsorgen. Dabei ist die Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen eigentlich sehr gut aufgestellt: 2019 erwirtschaftete sie 14,8 Milliarden Euro Umsatz, fast 130.000 Menschen fanden hier eine Arbeit – ein Allzeithoch nach Jahren des stetigen Wachstums, das erst durch die weltweite Pandemie getrübt wurde.

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir beim 4. Kreativwirtschaftstag, der 2021 als Online-Event stattgefunden hat. (Foto: Hessen Agentur)

Diese positive Ausgangslage federt die Krise in Hessen immerhin ab, denn hier hat sich in den vergangenen erfolgreichen Jahren viel Knowhow gesammelt. „Hessische Kreative profitieren in vielen Teilmärkten jetzt davon, dass sie sich früh Digitalisierungskompetenz angeeignet haben. Das wird vielen das wirtschaftliche Überleben in der Pandemie und in Zukunft sichern – auch in anderen Wirtschaftsbereichen. Denn die Kreativbranche gibt wichtige Impulse in andere Wirtschaftszweige hinein, weil sie Neuerungen schnell aufgreift“, sagte der Hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir beim 4. Kreativwirtschaftstag, der Mitte September als Digitalevent aus dem Campus Westend der Universität Frankfurt am Main gesendet wurde. „Dieses digitale Branchentreffen mit seinen zahlreichen Diskussionen und Workshops ist Ausdruck der Zukunftsfähigkeit der hessischen Kreativwirtschaft – und gleichzeitig steht die Branche mitten in der Krise zu ihrer eigenen Verantwortung, was ich ihr besonders hoch anrechne“, so Al-Wazir.

Mit dem bekannten Adorno-Zitat „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ als Motto stellten sich die rund 500 Teilnehmer grundsätzliche Fragen nach dem richtigen Handeln: Von Aktivismus von Marken und Verantwortung aus dem Blickwinkel erfolgreicher Unternehmen wie Lemonaid und Hugo Boss über neuronale Manipulation bis hin zum Impact von Adorno, Podcasts und hochinnovativen Games. Das von der Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen bei der HA Hessen Agentur GmbH im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums organisierte Digitalevent spannte also den Bogen zu den großen Themen unserer Zeit.

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir

„Hessische Kreative profitieren in vielen Teilmärkten jetzt davon,
dass sie sich früh Digitalisierungskompetenz angeeignet haben.“

Tarek Al-Wazir
Hessischer Wirtschaftsminister

„Kreative haben mehr als rein kreative Verantwortung. Es ist wichtig, dass auch Künstlerinnen und Künstler sowie Unternehmerinnen und Unternehmer sich der Konsequenzen ihres Handelns bewusst sind und ich bin froh, dass sich die Branche beim Kreativwirtschaftstag genau die Fragen dazu stellt: Für welchen Konsum kann man werben, angesichts endlicher Ressourcen? Welches Lebensgefühl, welches Menschenbild, welche Rollenbilder entsprechen der Gesellschaft, die ich anstrebe? Wie kann man bauen im 21. Jahrhundert? Was schadet dem Klima, was dem Planeten, was verträgt der Mensch? Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, unsere Gesellschaft zukunftsfähig und sozial zu gestalten – und der Kreativwirtschaftstag zeigt, dass die Kreativen in Hessen diese Verantwortung ernst nehmen“, betonte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.

Das sei auch aus rein wirtschaftlicher Sicht notwendig: Schließlich erreiche Europa als einer der führenden, innovativsten und größten Wirtschaftsräume der Welt mit seinem Vorangehen bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht nur eine Vorbildrolle, sondern erziele damit auch ganz handfeste Markteffekte, so  Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir: „Zukunftsfähig ist nur eine Wirtschaft, die nachhaltig ist: Ressourcen zu schonen und Klimaneutralität zu erlangen werden in ganz naher Zukunft Innovationstreiber werden. Deshalb ist die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung für die hessische Kreativbranche der Garant, nach der Corona-Krise an alte Erfolge anzuknüpfen.“

Mann sitzt vor einem Bildschirm und einem Mischpult

Hinter den Kulissen beim 4. Kreativwirtschaftstag: Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich haben sich digital vernetzt und gemeinsam mit dem Hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir Gedanken über ihr Selbstverständnis gemacht. (Foto: Hessen Agentur)

Für die rund 500 Teilnehmer des 4. Kreativwirtschaftsages gab es beim breiten digitalen Angebot unterschiedlichste Bereiche zu entdecken. Zahlreiche Keynotes und Diskussionen mit prominenten Teilnehmerinnen und Teilnehmern gaben Impulse für das eigene Schaffen und zu der Frage: Wie wollen wir in Zukunft kreativ wirtschaften? „Auch wenn wir ein persönliches Zusammenkommen wie vor Corona natürlich lieber gehabt hätten, haben wir mit unserer Digitalausgabe die Kontakte und Netzwerke der Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen weiter ausbauen können. Und es zeigt sich einmal mehr, dass in der Branche gerade angesichts der Krise eine kämpferische Stimmung herrscht: ‚Jetzt erst recht!‘ Das ist typisch für die kreativen und unternehmerischen Köpfe, die ein großes Gemeinschaftsgefühl verbindet und die wir mit unserer Arbeit unterstützen wollen“, so Organisatorin Susanne Stöck von der Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen.

DAS WAR DER KREATIVWIRTSCHAFTSTAG 2021:

Videos der Vorträge von der Mainstage im Hörsaalzentrum am Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt am 10. September 2021 sind jetzt online verfügbar: Videos des #KWTAG21

Eine leuchtende Lampe in Form eine Löwenkopfes

Wissenswertes zum Thema

Unsere aktuellen Wirtschaftsdaten zeigen die Entwicklung der hessischen Kultur- und Kreativwirtschaft – bis zur Corona-Pandemie. 2019 hat die Branche wieder mit einem Rekordumsatz abgeschlossen (14,8 Milliarden Euro). Bis die Corona-Krise auch in der Datenanalyse ihre deutlichen Spuren hinterlassen wird, werden noch ein bis zwei Jahre vergehen.

Der Blick auf die Zahlen vor Einsetzen der Pandemie macht nicht zuletzt Hoffnung auf eine möglichst schnelle Erholung in den kommenden Jahren.

Die Kreativbranche ist in der Corona-Krise zahlreichen Herausforderungen begegnet; einige Teilmärkte wie die Software- und Games-Industrie und Design- und Werbeagenturen mit digitaler Kompetenz konnten ihre Umsätze steigern bzw. Geschäftsbereiche entwickeln und ausbauen. Darüber hinaus wurde die Rolle der Kreativen über die eigentliche kreative Tätigkeit hinaus deutlich: Viele haben sich mit dem Thema Verantwortung in der Wirtschaft und Gesellschaft befasst und neue Ideen und Lösungen entwickelt, von Digitalisierung über Nachhaltigkeit bis hin zu Stadträumen. 

Quelle: aktueller Datenreport, Veröffentlichung Mitte September 2021

Umsatz

Im Jahr 2019 erwirtschafteten die hessischen Kultur- und Kreativunternehmen einen Rekordumsatz von rund 14,8 Milliarden Euro. [1] Der Umsatz ist 2019 gegenüber dem Vorjahr um 120 Millionen Euro bzw. um +0,8 Prozent gestiegen. Der Branchenumsatz steigt seit 2014 (11,7 Milliarden Euro) kontinuierlich an und liegt aufgrund dieser Entwicklung im langfristigen Vergleich um rund +21 Prozent höher als im Jahr 2014.

Die Software- und Games-Industrie war wie in den Vorjahren auch 2019 der umsatzstärkste Teilmarkt in Hessen. Im Vergleich zu 2018 konnte sie 2019 ihren Umsatz um 240 Millionen Euro bzw. +5,5 Prozent auf rund 4,6 Milliarden Euro ausbauen. Der Werbemarkt bleibt trotz des im Vergleich zu 2018 um -2,7 Prozent reduzierten Umsatzes mit 4,1 Milliarden Euro auf Platz zwei. Der Umsatz in der Pressewirtschaft hat sich um +3,5 Prozent gesteigert und liegt nunmehr bei rund 2 Milliarden Euro. Was den Gesamtumsatz betrifft, hat sich der Pressemarkt 2019 am Designmarkt vorbei an die dritte Stelle bewegt. Die Designwirtschaft verzeichnete gegenüber dem Vorjahr einen Umsatzrückgang auf rund 2 Milliarden Euro (-4,2 Prozent).

[1] Datengrundlage ist die jährlich durch das Hessische Statistische Landesamt veröffentlichte Umsatzsteuerstatistik, die derzeit aktuellsten verfügbaren Daten beziehen sich auf das Jahr 2019.

Unternehmen

In der hessischen Kultur- und Kreativwirtschaft waren im Jahr 2019 rund 20.300 Unternehmen tätig.

Mit 4.794 Unternehmen (+0,1 Prozent) verzeichnet die Designwirtschaft 2019 wie in den Vorjahren die meisten Unternehmen der hessischen Kreativbranche. Die zweithöchste Zahl an Unternehmen weist die Software- und Games-Industrie auf, die seit Jahren eine Zunahme bei der Zahl der Unternehmen auszeichnet. 2019 sank ihre Zahl allerdings geringfügig um 14 Unternehmen auf 3.922.

Erwerbstätige

2020 waren in der hessischen Kultur- und Kreativwirtschaft mindestens 127.500 Personen erwerbstätig, davon rund 78.600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 16.100 geringfügig Beschäftigte, etwa 20.300 Unternehmensinhaberinnen und -inhaber sowie über 12.000 freiberuflich künstlerisch und publizistisch Tätige.

  • Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der hessischen Kultur- und Kreativbranche blieb mit 78.648 gegenüber dem Vorjahr (78.700) annähernd gleich. Dass trotz der Corona-Pandemie die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weitgehend stabil blieb, dürfte auf die unterstützenden staatlichen Maßnahmen, insbesondere die Kurzarbeit, zurückzuführen sein. Zudem konnten in der Software- und Games-Industrie (+2,8 Prozent) sowie im Architekturmarkt (+1,7 Prozent) die Zahl der Beschäftigten gesteigert werden.
  • Im langfristigen Vergleich mit 2010 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um knapp 14.900 Personen bzw. +23,3 Prozent und damit im Vergleich zur hessischen Gesamtbeschäftigung (+19,2 Prozent) überdurchschnittlich gestiegen. Der langfristige Anstieg der Beschäftigung in der Kultur- und Kreativwirtschaft ist vor allem auf die Software- und Games-Industrie zurückzuführen.
  • Weitere Teilmärkte mit großen Zuwächsen sind der Architekturmarkt, der Markt für Darstellende Künste, der Musikmarkt sowie der Werbemarkt.
  • Zusätzlich zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren im Jahr 2020 rund 26.000 Personen in der Branche geringfügig beschäftigt, von denen rund 16.100 Personen ausschließlich dieser Beschäftigung nachgingen.

Neben den abhängig Beschäftigten zählen zur Gesamtzahl der Erwerbstätigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft 20.300 Unternehmensinhaberinnen und -inhaber sowie 12.000 freiberuflich künstlerisch und publizistisch Tätige.

6. Kreativwirtschaftsbericht

Konsum, Nachhaltigkeit, faire Löhne, Diversität: Mit dem 6. Kultur- und Kreativwirtschaftsbericht stellt das Land Hessen auf knapp 150 Seiten das Thema „Kreativität und Verantwortung“ in den Vordergrund. Hessens Kreative zeigen in Gastbeiträgen, Interviews und Best-Practice-Beispielen Perspektiven für die Zukunft auf. Mit aktuellen wirtschaftlichen Daten und Fakten macht der Bericht einmal mehr deutlich, wie wichtig diese Branche für unseren Standort ist.

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